Das Standardküchen-Projekt, 1972–75

Das Programm ,Standardisierte Küche‘ [Házgyári Konyhaprogram] war das erste groß angelegte Systemdesign in Ungarn. Der Initiator Mihály Pohárnok (*1939) verfolgte mit diesem Projekt das Ziel, Möbel, Geräte und Kochgeschirr für die kleinen Neubauküchen mit ihren meist nur 5 bis 8 Quadratmetern Grundfläche umfassend zu reformieren.
Der Entwicklungsprozess war in drei Phasen unterteilt und bezog von Anfang an Akteure aus Industrie und Handel mit ein. Am Anfang standen umfassende Recherchen, einschließlich Marktforschung und soziologische Erhebungen zu Fragen des Wohnens sowie zu Ernährung, Gesundheit und Technologie umfasste. 1973 wurde in Kooperation mit der Universität eine praktische Feldforschung durchgeführt: Studierende ermittelten in vierzig Budapester Wohnungen die Bedürfnisse der Bewohner:innen, ihre Ernährungsgewohnheiten sowie die Häufigkeit, in der sie Tätigkeiten in der Küche ausübten.

Anschließend wurde das ,gesamte System der Bedürfnisse‘ ermittelt und daraus Designaufgaben abgeleitet. Die Designer:innen berücksichtigten das Potenzial multifunktionaler Produkte, um die Zahl der Küchenbehälter und Gerätschaften zu verringern. Sie entwickelten Kochgeschirr, das sich sowohl zum Kochen als auch zum Servieren eignete – und so Lagerraum und Zeit beim Abwasch spart. Die ,anpassungsfähigen Systeme‘ von Haushaltsgegenständen würden es den Verbrauchern ermöglichen, ihre eigenen Sets zusammenzustellen und Artikel nach Bedarf zu ergänzen oder zu ersetzen. Um die gewünschte Komplexität und Harmonie zu erreichen, entwarfen die Designer:innen auch eine Farbpalette und verschiedene Musterungen, so dass die Verbraucher nach ihren persönlichen Vorlieben wählen konnten.
Die freigegebenen Prototypen und verfügbaren Produkte wurden im Herbst 1975 auf der Internationalen Messe in Budapest mit fast 300 Objekten und drei eingerichteten Küchen der Öffentlichkeit vorgestellt. 1976 eröffnete ,Vasedény‘, ein auf Eisen und Kochgeschirr spezialisiertes Unternehmen, in einer Budapester Wohnsiedlung ein eigenes Geschäft, in dem die Standardküchen-Produkte verkauft wurden. Mangels ausreichender Produktions- und Vertriebsinfrastruktur konnte das Projekt jedoch nur in begrenztem Umfang realisiert werden.

Melinda Farkasdy
Das Standardküchen-Projekt, 1972–75
Thermogeschirr aus feuerfestem Pressglas für das Standardküchen-Projekt, Katalin Suháné Somkúti, Glasfabrik Karcag, Ungarn, 1974–75, Museum für Angewandte Kunst, Budapest, Foto: Benedek Regös
Schemazeichnungen für eine Serie feinkeramischer Werkzeuge, Ungarn, 1974–76, Beitrag von Mihály Pohárnok, Dokumente eines Design-Experiments. Vier Jahre Standardküchen-Projekt. In: Art. August 1977, Vol. 18, Nr. 8, S. 5, Nationale Széchényi-Bibliothek, Budapest
Kochset, Standardküchen-Projekt, Csaba Ásztai, György Soltész, Lampart Emaille-Industriewerke Bonyhád, Ungarn 1975, Museum für Angewandte Kunst, Budapest, Foto: Krisztina Friedrich