Polnischer Pavillon, 12. Triennale, Mailand, 1960

,Haus und Schule‘ war das Thema der 12. Mailänder Triennale 1960. Das Ministerium für Kunst und Kultur der Volksrepublik Polen hatte den Auftrag zur Gestaltung des polnischen Pavillons an den Architekten Oskar Hansen (1922–2005) und seine Assistentin, die Textilkünstlerin Jolanta Owidzka (1927–2020) vergeben. Die Ausstellung mit über 400 Exponaten – darunter Textilien, Glas, Keramik, Publikationen und großformatige Architekturfotos – wurde von einem Team aus 59 Designer:innen, Handwerker:innen und Architekte:innen entwickelt. Sie präsentierten das sozialistische Polen als modernen Wohlfahrtsstaat, in dem sich das Design jenseits der Zwänge kapitalistischer Gesellschaften entwickeln konnte.
Der begleitende Katalog wurde von Hansen selbst gestaltet. Er konzipierte ihn als einen visuellen Essay, der Schwarzweißfotografien mit Infografik, kurzen Überschriften und Zeichnungen von Jan Młodożeniec (1929–2000) kombinierte. Es handelte sich dabei nicht nur um einen illustrativen Leitfaden durch die polnische Ausstellung, sondern auch die Auseinandersetzung mit universellen Themen moderner Gesellschaften weltweit. In der Gegenüberstellung von Bildern mit Menschenmassen und Porträtaufnahmen einzelner Personen verdeutlichte Hansen eines seiner zentralen Anliegen, dem Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft.
Im Gegensatz zum Pavillon setzte sich der Katalog eher kritisch mit der hochmodernen Wohnungs- und Baupolitik auseinander. Nach Hansens Auffassung war für eine große Mehrheit das Wohnungsproblem nicht gelöst: Der Massenwohnungsbau ignorierte nicht nur Veränderungen in verschiedenen Lebensphasen und unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche der Gemeinschaften und Nutzer, sondern sei auch wirtschaftlich nicht nachhaltig. Oskar Hansens Konzept der Offenen Form, die den Bewohnenden mehr Partizipation bei der Gestaltung ihrer Lebensräume ermöglichen sollte, war seine Antwort darauf.

Mari Laanemets
Polnischer Pavillon, 12. Triennale, Mailand, 1960