Tallinn wird olympisch. Städtische Umwelten gestalten

1978 wurde zur Vorbereitung der Segelwettbewerbe in Tallinn, die im Rahmen der Olympischen Spiele in Moskau 1980 stattfinden sollten, eine Stadtplanungsgruppe unter der Leitung des Designers Matti Õunapuu (*1945) gegründet. Er holte mehrere Kollegen dazu, darunter Tiit Jürna (*1953), der gerade seine Dissertation über olympische Stadtplanung verteidigt, und Taimi Soo (*1947), der 1973 seinen Abschluss gemacht hatte. Es war ihr erstes Projekt dieser Art, das sich mit der Gestaltung des städtischen Raums befasste. Sie alle waren Absolventen der Fakultät für Industriedesign an der Staatlichen Kunsthochschule, die 1966 neben der bestehenden Abteilung für angewandte Kunst mit Schwerpunkt auf Material gegründet worden war. Bis dahin wurde das Konzept von ‚Design‘ — estnisch Disain — weder im Rahmen der Ausbildung noch in der Praxis anerkannt und angewandt. Das unter Leitung von Bruno Tomberg (1925–2021) entwickelte Curriculum richtete sich stärker auf die Umwelt und geeignete Methoden ihrer ganzheitlichen Gestaltung und stand damit im Gegensatz zum objektorientierten Produktdesign. Damit erweiterte sich das Verständnis von den Möglichkeiten des Designs ganz entscheidend.
In den Jahren vor der Regatta wurde die Stadtlandschaft aus Designperspektive analysiert. Anlässlich der Baltischen Regatta 1979 wurden dann erste Gestaltungsideen getestet. Im Sommer 1980 erhielten das Stadtzentrum von Tallinn und der Stadtteil Pirita ein neues Erscheinungsbild, das mit neuartigen Mitteln erzeugt wurde. Ziel war es, die leeren Räume der Stadt mit voluminösen, aber transparenten Elementen zu füllen, was in starkem Kontrast zu früheren Strategien zur Dekoration der Stadt stand. Leichte architektonische und dekorative Formen aus Segeltuch verliehen der Stadt ein festliches Aussehen. Kioske und Verkehrsschilder wurden neugestaltet und für das Olympische Zentrum in Pirita ein neues Leitsystem entwickelt.

Kai Lobjakas