Offenheit der Formen. Gefährlich für Behörden, beliebt bei Künstler:innen
Die Scheinheiligkeit des sogenannten realen Sozialismus verführte viele Menschen, die sich durch Beruf und Berufung der Verbesserung der Welt verschrieben hatten, zu dem Glauben, ihre utopischen Projekte könnten Realität werden. Ungeachtet aller Rückschläge hielt sich dieser Glaube, da die Erfahrung lehrte, dass nützliche Ideen bisweilen erfolgreich verwirklicht werden konnten. Denn in einem System, in dem der Staat alle Lebensbereiche kontrollierte, konnten auch schwierige Vorhaben durchgesetzt werden, wenn sie gesellschaftlichen Nutzen brachten. Der sozialistische Alltag blieb jedoch meist weit hinter diesem Ideal zurück. Dennoch gelang es einigen Künstler:innen, mit Kreativität und Beharrlichkeit bleibende Werke zu schaffen, deren Innovationskraft auch Jahre später nicht an Relevanz verlor, selbst wenn die Arbeiten nicht vollständig realisiert wurden.
Oskar Hansen (1922–2005) und Teresa Kruszewska (1927–2014) verband das Bekenntnis zu ihren Idealen, ihre Ablehnung von Kompromissen und die Zielstrebigkeit, ihre Ideen zu verwirklichen. Vielleicht waren beide von ihrer Tätigkeit an der Warschauer Kunstakademie beeinflusst, an der kreatives Experimentieren gefördert wurde. Selbst die Einschränkungen des sozialistischen Systems konnten unkonventionelle Ideen nicht verhindern. Die Lockerung von Zensur und Kontrolle nach dem Tod Stalins ermöglichte die Entwicklung moderner Tendenzen in der polnischen Gesellschaft. Abstrakte Malerei sowie offene Formen in Bildhauerei und Design wurden beliebter und spiegelten die Sehnsucht nach gesellschaftlicher Freiheit und Offenheit.
In den Arbeiten von Oskar Hansen und Teresa Kruszewska geht die Offenheit der Form weit über die ästhetische Dimension hinaus, was diese Werke umso wertvoller macht. Die Vorstellung von Offenheit, die geschlossene Systeme ablehnt und stattdessen modulare, erweiterbare bevorzugt, ist den architektonischen Konzepten Hansens und den Spielmöbeln Kruszewskas eingeschrieben. Hansens Lehrmethoden umfassten Übungen mit ‚Apparaten‘, die den Studierenden halfen, die notwendige Vorstellungskraft für den Entwurf komplexer offener Systeme zu entwickeln. Kruszewska gab Kindern Spielzeuge als Werkzeug, um ihre Kreativität anzuregen und die Erkundung von Formen zu fördern.
Länder: Polen
Tags: Architektur, Produktdesign, Systemdesign, Umweltgestaltung