Tipps für die Wohnung. Wohnalltag und Wunscheinrichtung
Wie Wimmelbilder eröffnen schwarz-weiße Tuschezeichnungen und farbige Aquarelle von Lutz Brandt (1938–2024) Einblicke in die ‚eigenen vier Wände‘. Der Architekt und Grafiker fertigte die Blätter in großer Zahl ab Mitte der 1970er Jahre bis 1983 für die Neue Berliner Illustrierte (NBI), das Magazin und weitere Zeitschriften und Sachbücher an. Ich lese diese Interieurstudien heute als private Seite des Wohnungsbauprogramms, das ab 1973 die Wohnverhältnisse in der DDR entscheidend verbessern sollte, und zwar nicht nur durch neue Großsiedlungen, sondern auch durch Erhalt und Modernisierung vorhandener Bausubstanz. Brandts Vorschläge erschienen in Rubriken wie ‚Tips für die Wohnung‘, in denen Leserinnen und Leser ihre Fragen und Ideen einbrachten: wie man Mehrzweckmöbel gestaltet, Anbauwände umnutzt und Altbau-Dachschrägen ausnutzt, aus der ‚Kochstrecke‘ eine ‚Kochnische‘ macht oder einen Solidaritätsbasar im Eingang eines Neubaublocks improvisiert. Wohnwünsche und Alltagsrealitäten werden wieder lebendig.
Wie kommt nun das Design ins Bild? Professionell gestaltete Objekte stehen in diesen Zeichnungen nicht im Mittelpunkt. Sie fügen sich ein in das Zusammenspiel aus Erb- und Fundstück, Do-it-yourself-Lösung und vorhandenem Mobiliar. Nur Eingeweihten waren die Namen der Entwerfenden bekannt. Geschult von Lehrenden aus der Bauhaus- und Werkbund-Generation, bemühten sich DDR-Gestalter:innen unter schwierigen Produktionsbedingungen um hohe Gebrauchsfunktionalität, ästhetischen Reiz, Langlebigkeit und zeitgemäße Gesten. Also kein Autorendesign, keine Distinktionswerte. Und doch finden sich auf jedem Blatt Dinge, die heute als Ikonen gelten: die Kugelbox Heli K20, die Tischleuchte Kontrast oder die Kunststoffmöbel aus dem Variopur-Programm. Unsere Auswahl hebt einzelne Modelle wie mit einer Lupe hervor.
Retrotopisch? Das ist für mich die Atmosphäre privater Räume, in denen Menschen so wohnen können, wie sie mögen. Dass alle eine Wohnung und ein Auskommen haben. Wohnungen, in denen Geräte keine Daten sammeln; das Smart Home ist noch fern. Oder ist das nostalgisch?
Länder: DDR
Tags: Grafik, Produktdesign, Wohnen