Atmosphären gestalten. Das Hotel Thermal in Karlsbad

Das von dem Architektenpaar Věra Machoninová (*1928) and Vladimír Machonin (1920–90) entworfene Hotel Thermal in Karlsbad ist ein herausragendes Beispiel für Innenarchitektur im öffentlichen Raum. Der 1964 im Stil des frühen Brutalismus entworfene Komplex als Filmfestival- und Spa-Hotel wurde bis 1977 fertiggestellt. In den 1960er Jahren waren die Machonins äußerst erfolgreich. Als sie jedoch 1968 die Besetzung der Tschechoslowakei kritisierten, wurden sie aus der offiziellen Architekturszene ausgeschlossen und erhielten anschließend keine staatlichen Aufträge mehr.
Im Hotel Thermal gehen Struktur, Materialien und Ausstattung eine Symbiose ein und formen eine einzigartige Einheit aus Architektur, Innenarchitektur und Umgebung. Der an einer Flussbiegung der Teplá gelegene Hotelturm stellt mit seinem horizontalen Sockel einen Kontrapunkt zur historischen Altstadt von Karlsbad dar. Weitläufige, halboffene Terrassen mit mit öffentlich zugänglichen Passagen und hohen Fenstern charakterisieren den dreigeschossigen Sockel, in dem ein Kino und zwei Konferenzsäle untergebracht sind. Seine drei zylindrischen Formen nehmen das Mäandern des Flusses auf und verleihen der Raumkomposition eine besondere Dynamik. Der schlank angelegte Hotelturm mit 280 Zimmern sollte nach Auffassung der Architekten die Stadtsilhouette ‚organisch‘ vervollständigen. Spa-Bereich, Außenpool und Café sind in den Hügel über dem Hotel eingelassen und eröffnen einzigartige Blicke auf die Stadt.
Im Inneren entfaltet sich eine künstliche Landschaft; jeder Raum erzeugt durch seine Farben, Formen und Materialien eine atmosphärische und sinnliche Wirkung. Die Raumteiler bestehen aus für den Außenbau typischen Baustoffen wie Waschbeton-Paneelen sowie rotbemalten Holzpaneelen, Glaswänden und gläsernen Hydrokultur-Vitrinen. Der zentrale Kinosaal für 1.200 Zuschauer ist mit akustischen Schiefer-Paneelen ausgestattet, die an Bergpanoramen erinnern. Künstlerische Glasinstallationen von René Roubíček (1922–2018) – ein gläserner Säulenbrunnen, bekannt als ‚Glaswald‘, funkelnde Glaslüster und ‚Pilz‘-Lampen im Restaurant – steigern den Eindruck des Fragilen. Eine künstliche Sonne aus massiven Glasröhren setzten Stanislav Libenský (1921–2002) und Jaroslava Brychtová (1924–2020) in die kühle, weiß-blaue Einrichtung des Kinofoyers. Das Architektenpaar ließ Möbel in kräftigen Farben – Orange, Rot, Blau, Weiß, Grün – anfertigen, zum Beispiel die hohen Lehnstühle auf drehbaren Metallfüßen für die Hotellobby und niedrige Polsterstühle ohne Armlehnen für die Cafés, Restaurants und Foyers.

Helena Huber-Doudová