Fakultät für Industriedesign am Staatlichen Estnischen Kunstinstitut [ERKI], Tallinn

1966 führte das Staatliche Kunstinstitut der Estnischen SSR [Eesti NSV Riiklik Kunstiinstituut, ERKI] einen neuen Studiengang zur Ausbildung von Künstler:innen für die Industrie ein. Zwei Jahre später wurde daraus eine eigenständige Fakultät für Industriedesign mit dem Innenarchitekten Bruno Tomberg (1925–2021) als erstem Direktor. Inspiriert von innovativen Designschulen des 20. Jahrhunderts wie dem Bauhaus und der Hochschule für Gestaltung Ulm umfasste der Lehrplan neben den traditionellen Kunstkursen auch Informatik, Soziologie und Ergonomie. Der charismatische Tomberg strebte danach, die künftigen Fachkräfte mit einem breiten Wissensspektrum auszubilden, die sowohl mit den Besonderheiten industriell hergestellter Formen als auch mit den Problemen der zeitgenössischen Gesellschaft vertraut waren. In Tombergs Vorstellung war Design ein Mittel, um nicht nur formale, sondern auch soziale Probleme zu lösen.
Im Mittelpunkt des Lehrplans stand die Architektur, die auf dem Studium von Strukturen in Bezug auf Gleichgewicht, Rhythmus und Reihung sowie dem Zusammenspiel von Formen und Farben basierte. Ausgehend von einem zweidimensionalen Blatt wurden ,mögliche Lösungen in räumliche Beziehungen übersetzt‘. Dieser auf Kombinatorik aufbauende Kurs sollte ein Gespür der Studierenden für visuelle Wirkungen und Räumlichkeit entfalten und ,die individuellen kreativen Fähigkeiten der Schüler bei der Anwendung objektiver Gesetzmäßigkeiten in der künstlerischen Komposition entwickeln‘. Elemente aus dem riesigen Fundus an Farben und Formen könnten demnach wie Buchstaben eines Alphabets endlos kombiniert werden, um unterschiedliche visuelle und räumliche Erfahrungen zu schaffen.

Mari Laanemets
Fakultät für Industriedesign am Staatlichen Estnischen Kunstinstitut [ERKI], Tallinn
Spielplätze, Seminararbeit von Silver Vahtre (*1953), Fakultät für Industriedesign, Estnisches Staatliches Kunstinstitut. Estnische SSR, 1976. Archiv Silver Vahtre
Bruno Tomberg mit Studierenden, von links: Marika Kasemaa (*1961), Reet Ehanurm, Ulla Kerge, Fakultät für Industriedesign, Estnisches Staatliches Kunstinstitut Estnische SSR, 1980er Jahre, Estnisches Architekturmuseum, Tallinn