Die Stadt als Bühne. Zur Gestaltung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ost-Berlin
Purpurrot, Zinnoberrot, Gelb, Grün und Blau — die Regenbogenfarben als Ausdruck für Vielfalt, Internationalität und Frieden sind uns heute ebenso gegenwärtig wie sie es vor 50 Jahren bei den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 in Ost-Berlin waren.
Die farbintensive Gestaltung des Festivals stand in radikalem Kontrast zu den bis dahin bekannten, auf rote Fahnen, Nationalflaggen und Porträts setzenden Inszenierungen politischer Großveranstaltungen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Verantwortlich für die neue Visualität war ein Gestaltungskollektiv aus der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Darunter der Grafiker Axel Bertram, der die verbindlichen Gestaltungskonstanten für das Festival entwarf. Er modernisierte das tradierte Festivallogo und leitete daraus die Farbkonstante ab. In den von Bertram geschaffenen Signets ‚W‘ und ‚B‘ findet sie sich ebenso wieder wie in Plakaten, Programmheften, Bühnen, Textilien oder temporären Architekturen. Neben 280 beteiligten Künstler:innen waren Betriebe und Bevölkerung aufgerufen, das Festival mitzugestalten. Überwältigend viele Menschen folgten dem Aufruf. Der visuelle Ausdruck der Weltfestspiele war populär. Das war das Festival insgesamt: An neun Sommertagen besuchten acht Millionen Gäste aus dem In- und Ausland die politischen, sportlichen und kulturellen Veranstaltungen.
Anfang der 1970er Jahre befand sich die DDR im politischen Umbruch. Eine neue Sozialpolitik sowie Ankündigungen einer gesellschaftlichen und kulturellen Öffnung ließen auf Veränderungen hoffen. Die neue Regierung der DDR nutzte die Weltfestspiele zur politischen Inszenierung nach Innen und Außen. Jedoch entfaltete das Festival unter der jungen Generation eine Eigendynamik, die sich von politischem Pathos löste. Ein offener und internationaler Sozialismus schien vielen in diesen Tagen möglich — wie es auch das undogmatische Erscheinungsbild der Weltfestspiele versprach. Doch das Erlebnis ‚Weltfestspiele‘ war ein utopisches Versprechen, das von der Regierung der DDR in den folgenden Jahren nicht eingelöst, sondern gebrochen wurde.